Interview:Manga no Chikara – mit Eiichiro Oda-sensei
Aus OPwiki
Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Interview von Eiichiro Oda mit der japanischen Homepage Manga no Hi (jap. まんがの日 – übersetzt "Manga-Tag" und namentlich im Stile großer Feiertage wie dem Midori no Hi (Tag des Grüns) oder Kodomo no Hi (Kindertag) gehalten. So geht der Name der Homepage auf den 3. November, den Kulturtag (jap. 文化の日 Bunka no Hi) zurück, einer Subpage des Portals Manga Tengoku (jap. まんが☆天国 – übersetzt "Manga-Paradies"), das es sich seit dem Jahr 2001 zum Ziel gemacht hat, Manga-News im nationalen Bereich zu publizieren und die Benutzer tagtäglich mit neuen Informationen zu versorgen.
In der Rubrik Manga no Chikara (jap. まんがのチカラ – übersetzt Manga-Power) werden seit dem Jahr 2006 in einem Abstand von etwa drei Monaten mehrteilige Interviews mit namhaften Manga-Zeichnern veröffentlicht, u.a. solchen Bekanntheiten wie Yudetamago, Makoto Yukimura oder auch Hirohiko Araki. Im Dezember 2007 war es dann schließlich Eiichiro Odas großer Auftritt.
Für die letzte Manga-Power im Jahr 2007 haben wir einen äußerst namhaften Gast, Bühne frei für Eiichiro Oda-sensei!! Sein Piratenmanga One Piece übersteigt gegenwärtig nicht nur jegliche Zahlen im nationalen Comic-Bereich, sondern erfreut sich weltweit größter Beliebtheit. Dieses Jahr wurde das 10-jährige Jubiläum des Mega-Meisterwerks eingeläutet, an dem Oda-sensei nach wie vor mit vollem Einsatz zeichnet. Er hat mit uns über seine Zeit am Rande der Gesellschaft, die vielen noch zu erzählenden Geschichten von One Piece, das Wunder, als seine Serie eine Anime-Umsetzung bekam und noch unzählige weitere Dinge gesprochen!!
Teil I – Die Zeit als "verkappter Mangaka" aus der Provinz (vom 10.12.2007)
Würden Sie uns als erstes vielleicht erzählen, wie Sie zum Entschluss kamen, Mangaka zu werden?
|
Oda
| Nun, das dürfte der Zeitpunkt gewesen sein, als ich erfuhr, dass es einen Beruf gibt, der sich "Mangaka" nennt. Zu der Zeit als ich noch im Kindergarten war, liebte ich die Werke von Fujiko Fujio-sensei sehr, aber als ich hörte, dass diese Personen einzig ein paar Manga zeichnen müssten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, fand ich, dass sie total beneidenswert seien. Weil für mich bedeutete das zu jener Zeit das Gleiche, wie überhaupt nicht zu arbeiten.
Natürlich ist es die Arbeit eines Mangaka Manga zu zeichnen, aber welches Kind denkt schon, dass es wirklich Arbeit sei Bilder zu zeichnen? Weil es ich es so am Beispiel meines Vaters gelernt habe, bedeutete "Arbeit" für mich, einen Anzug zu tragen und in die Firma zu gehen.
Aus diesem Grund dachte ich "das (=Mangaka) will ich auf jeden Fall werden". Ich hatte seit je her stets große Freude am Zeichnen/Malen und ich hörte von Leuten aus meinem Umfeld auch, dass ich Talent hätte. Aus diesem Grund hatte ich ein wenig Selbstvertrauen, dass ich das Zeug dazu haben könne.
|
Wie haben Sie von dort an tatsächlich weitergemacht?
|
Oda
| Im Alter von 15 Jahren habe ich begonnen Arbeiten bei Verlagen einzureichen und mit 17 Jahren habe ich meinen ersten Preis bekommen.
Richtig schwierig wurde es jedoch erst ab diesem Zeitpunkt. Wie gesagt, was meine Zeichnungen anbelangte, so hatte ich Selbstvertrauen in deren Qualität, aber Manga sind keine bloße Ansammlung von Bildern. Eine Geschichte zu schreiben und auszuarbeiten, war für mich eine harte Nuss. Und wann immer ich dem Redakteur, der mich betreute, Names1 gezeigt habe, wies mir dieser deren Schwachpunkte auf. Ich kam kein Stück voran.
Das war die erste Hürde, die es zu nehmen galt, um Profi zu werden. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich fälschlicherweise, wenn jemand gute Bilder malen kann, dann kann er Mangaka werden. Das war so, weil jeder Mangaka, den ich kannte, einfach solch gute Bilder zeichnete. Als Folge begann ich von diesem Zeitpunkt an, ernsthaft über das was man "Geschichte" (oder auch "Plot") nennt, nachzudenken.
Danach, immer noch meinem Ziel Mangaka nachstrebend, schloss ich die Oberschule ab und ging anschließend auf die Universität in Kumamoto, doch nach nur einem Jahr dort, dachte ich "Ich verschwende hier nur meine Zeit", und so machte ich mich auf nach Tokyo.
Gut, natürlich hab ich das Lernen auch gehasst, aber davon abgesehen, war ich überzeugt, wenn ich weiterhin Student bleibe und meinem Ziel nacheifere, wird das nie was. Denn Party machen ist doch das Wichtigste für einen Studenten, oder nicht? (lacht)
|
Gab es an Ihrer Uni jemanden, der wie Sie war und ebenfalls das Ziel hatte, Mangaka zu werden?
|
Oda
| So jemand gab es nicht, nein. Um ehrlich zu sein, habe ich vor meinen Freunden geheim gehalten, dass ich Manga zeiche. Ich weiß nicht, wie es inzwischen ist, aber zu der Zeit hat man sich über Leute, die Amateur-Manga zeichneten, lustig gemacht.
Ich wollte nicht "Otaku"2 genannt werden, darum wollte ich es auf jeden Fall geheim halten bis ich ein Profi sein würde. Ich hatte mich entschlossen als verkappter Mangaka durch's Leben zu schreiten. (lacht) Wenn du Profi wirst und dann Erfolg hast, wirst du von allen akzeptiert, darum ist es ab dem Zeitpunkt nicht mehr nötig, sich zu verstecken, stimmt's? Aus diesem Grund hatte ich auch den starken Wunsch so schnell wie möglich Profi zu werden, weil ich für meine Arbeit akzeptiert werden wollte, glaube ich.
Deswegen brach ich die Uni also ab. Ich wollte auf jeden Fall nach Tokyo und so vermittelte mein Redakteur mir dort eine Stelle als Assistent.
|
Wie war es für Sie als Sie das erste Mal mit einem Profi zusammengearbeitet haben?
|
Oda
| Ich wurde Assistent von Shinobu Kaitani-sensei (u.a. Sommelier, LIAR GAME), dessen Serie Midoriyama Police Gang (jap. 翠山ポリスギャング) zu jener Zeit (1994) in JUMP veröffentlicht wurde, aber was mich am allermeisten von den Socken gehauen hat, war die Schönheit der Originalarbeiten und –manuskripte eines Profis.
Die Seiten der JUMP sind aus Recyclingpapier, deswegen fühlen sie sich sehr rau an und sehen irgendwie unsauber aus, nicht? Aber die Manuskripte waren so unsagbar wunderschön! Sie waren 10-mal schöner als ich es erwartet hätte. Ich habe in dieser Zeit viele verschiedene Arbeitsplätze besucht, aber egal wo ich auch hinging, die Schönheit der Originalarbeiten hat mich umgehauen. Meine eigenen Arbeiten konnte man mit denen nicht vergleichen.
|
Sie sagten es gab da noch Arbeiten anderer Profis, die Sie umgehauen haben. Welche waren das?
|
Oda
| Nachdem Kaitani-senseis Serie ihre Laufzeit beendet hatte, nahm mich Masaya Tokuhiro-sensei (u.a. Jungle King Tar-chan, Kinmirai Furoufushi Densetsu Vampire (jap. 昭和不老不死伝説 バンパイア)) bei sich auf und ich bewunderte, wie perfekt durchgeplant und zügig Tokuhiro-sensei seine Arbeit vollzog. Er ist wirklich ein echter Profi. Ich will diese Art von Arbeit ebenfalls erlernen, aber ganz gleich wie ich's drehe und wende, ich bin wohl einfach nicht die Art von Mangaka. (lacht)
|
An welchen von Tokuhiro-senseis Arbeiten haben Sie mitgewirkt während Ihrer Zeit bei ihm?
|
Oda
| Ich habe Hintergründe für Tar-chan und die darauf folgende Serie (Mizu no tomodachi Kappa-man, jap. 水のともだちカッパーマン, zu deutsch Wasserfreund Kappa-man) gezeichnet.
Auch wenn ich letzten Endes nur 1,5 Jahre bei Tokuhiro-sensei arbeitete, habe ich bei ihm eine Vielzahl Dinge gelernt. Beispielsweise wie man die Konturlinien von Figuren zeichnet oder verschiedene Formen/Methoden von Ausdruck und Darstellung und so weiter. Nachdem ich bei ihm als Assistent aufgehört hatte, haben wir eigentlich nicht mehr Kontakt als in Form des Austausches von Neujahrsgrußkarten3, doch sehe ich in Tokuhiro-sensei eine für mein Leben sehr wichtige Person.
|
Wenn man sich mit Ihrer Zeit als Assistent auseinander setzt, so führen viele Leute Nobuhiro Watsuki-sensei (u.a. Rurouni Kenshin, Embalming) auf. Haben Sie, nachdem Sie Ihr Amt bei Tokuhiro-sensei niedergelegt haben, sofort bei Watsuki-sensei weitergemacht?
|
Oda
| Ziemlich, ja. Allerdings war ich gar nicht sonderlich lang bei Watsuki-sensei. Ich glaube, es waren nur etwa vier Monate, die ich Vollzeit für ihn arbeitete. Danach wollte ich mich der Planung meiner eigenen Veröffentlichung widmen, darum haben wir es so gehalten, dass ich nur noch jede zweite Woche aushalf.
|
Würden Sie uns vielleicht ein paar Ihrer Erinnerungen an Ihre Zeit unter Watsuki-sensei erzählen?
|
Oda
| Ich habe in meiner Zeit bei Watsuki-sensei auf alle Fälle eine Vielzahl Leute getroffen. Ob man sie nun "Manga-Nakama" oder "Rivalen" nennen will, es war der Ort, an dem ich diese Freunde zufällig getroffen habe. Ich finde, es war unglaublich in solcher Gesellschaft arbeiten zu können.
|
Eine Zeit lang gab es eine Phase, in der fast alle richtig populären Zeichner der JUMP frühere Assistenten von Watsuki-sensei waren, nicht?
|
Oda
| Zu der Zeit als wir alle Assistenten waren, haben wir unter dem Leitspruch "Lasst uns alle zusammen Profis werden!" fleißig zusammengearbeitet. Als es dann wirklich so kam, war ich sehr glücklich.
|
Von Ihren damaligen Rivalen, wer hat sich besonders bei Ihnen ins Gedächtnis gebrannt?
|
Oda
| Das dürfte wohl Hiroyuki Takei-san (u.a. Shaman King) sein. Er hatte schon damals dieses unglaublich gute Gespür! Und auch heute noch, sorgt er dafür, dass ich einfach nur "Wow, fantastisch!" denke. Er schafft es einfach mit geringster Anstrengung Bilder zu zeichnen, bei denen ich denke "Das könnte ich nie im Leben zeichnen"! Und seine Mecha sind ebenfalls der Hammer! Er ist einfach klasse, wirklich.
|
Teil II – Die Geschichte des Wortes "Gum-Gum"? Schritt für Schritt 100 Bänden entgegen? (vom 17.12.2007)
Bitte erzählen Sie uns doch ein wenig über Ihre Werke aus der Zeit, bevor Sie Ihr Debüt mit One Piece hatten. Zunächst einmal die, so kann man es wohl nennen, Pilot-Versionen, die Kurzgeschichten Romance Dawn (im Fanbook One Piece Red, als auch der Kurzgeschichtensammlung Wanted! enthalten). Wie genau sind diese Geschichten entstanden?
|
Oda
| Ich habe mir etwa zu meiner Zeit als Mittelschüler überlegt, dass ich einmal einen Manga mit Piraten-Motiv zeichnen will. Aber es war nichts, was ich einfach nur in Form eines kurzen One-Shots machen wollte. Das Format für die Geschichte wäre in jedem Falle einfach viel zu klein und ich hätte daher nie all die Dinge zeichnen können, die ich den Leuten erzählen und zeigen wollte. Ich beschloss also, wenn ich diese Geschichte mache, dann nur als fortlaufende Veröffentlichung.
Aber ich schaffte es nicht soweit (bis zur Veröffentlichung). All die Names für Kurzgeschichten, die ich vor meiner Veröffentlichung angefertigt hatte, wanderten einer nach dem anderen in den Schredder…...
Aus dem Grund kam ich bald an einen Punkt, an dem ich wirklich nicht weiter wusste und ich dachte "Wenn die nächste Geschichte abgelehnt wird, muss ich aufgeben." und zeichnete Romance Dawn. Ich spielte meinen letzten Trumpf aus!4
Deshalb erzählte ich die Handlung so, dass sie wie der Anfangsteil einer viel größeren Geschichte wirkte und ganz deutlich wurde, dass es eine Fortsetzung zu ihr gibt. Es war so, als wollte ich den Leuten sagen "Hey, ich will solch eine Geschichte wirklich zeichnen!" (lacht).
Das Ergebnis war, dass ich die Geschichte als fortlaufende Veröffentlichung erzählen konnte und daraus wurde One Piece.
|
Es scheint so, als hätten Sie zur Zeit von Romance Dawn gewisse grundlegende Konzepte bereits ausgearbeitet hatten.
|
Oda
| Das stimmt. Es gab Ruffy, es gab die Gum-Gum-Frucht…… Ach ja, die Gum-Gum-Frucht war ganz am Anfang im Übrigen noch die "Gummifrucht"5. Aber mein Redakteur meinte "Gibt es eine Gummifrucht nicht auch in Wirklichkeit?", worauf ich erwiderte "Hmm, dann ist es halt die Gum-Gum-Frucht". Ich habe es also geändert ohne groß weiter darüber nachzudenken, aber wenn ich mich jetzt so zurückerinnere, war das eigentlich eine ziemlich geniale Idee. (lacht)
|
Könnte man allerdings nicht auch sagen, dass dies so ist, weil Sie seit Ihrer Zeit in der Mittelschule ihr großes Konzept hatten?
|
Oda
| Nein, nein, wirklich große Konzepte hatte ich eigentlich nicht. Wenn ich ehrlich bin, über die tatsächliche Handlung und den Inhalt hatte ich mir gar keine zu großen Gedanken gemacht. Ich hatte nur ein paar Grundgedanken getroffen und ich wollte sie zu einer großen Geschichte ausarbeiten, mehr nicht.
|
Das hätte ich nicht erwartet. Denn als Leser hat man beispielsweise die Andeutungen während des Handlungsbogens mit La Boum dem Wal (zu finden in Band 12) und deren Bedeutung erst vor kurzem wirklich verstanden. Ich fand diese Geschichte wirklich außerordentlich präzise ausgearbeitet…
|
Oda
| Nun, was das angeht, das ist nur so, weil ich die Auflösung des Geheimnisses schon eine ganze Weile geplant hatte und es nur sehr viel länger dauerte. (lacht) Natürlich hatte ich mir zu dem Zeitpunkt, als ich La Boum zeichnete, überlegt, dass ein Skelett-Musiker auftreten würde, aber ich hatte mir noch keine Gedanken über das Design gemacht, auch hatte ich noch nicht entschieden, wann er auftreten würde. Wenn's nach mir gegangen wäre, hätte ich ihn schon sehr viel früher gerne auftreten lassen, aber es kam einfach so, dass sich die Geschichte immer weiter in die Länge zog und ich so erst vor kurzem dazu kam, ihn erscheinen zu lassen. Das ist die ganze Hintergrundgeschichte.
Ich mache mir nur sehr oberflächlich Gedanken zum Ablauf der jeweiligen Einzelgeschichten, in welcher Reihenfolge ich sie abhandele und wie lang ich brauche, um sie zu erzählen. Auf diese Art und Weise kann ich am besten arbeiten. Wann immer einer der Names für einen neuen Handlungsstrang in den Müll wandert und ich keine wirkliche Alternative sehe, in die ich die Geschichte lenken kann, denke ich einfach "Oh, hier könnte ich ja diese Geschichte mal weiterverfolgen!". Mit dieser Einstellung schreibe ich auch oft einen Handlungsbogen!
|
Was wäre ein Beispiel hierfür?
|
Oda
| So war das mit den Fischmenschen. Die Wahrheit ist, ich hatte eigentlich geplant, die Fischmenschen in Kapitel 3 auftreten zu lassen, habe es dann aber zu diesem Zeitpunkt verworfen! Allerdings habe ich die Idee in einem Winkel meines Oberstübchens behalten und weitergemacht, ehe ich sie endlich im Arlong Arc (beginnend mit Band 8) verwendet habe. Also auch diese Idee hatte ich schon weitaus früher zu realisieren geplant.
Jedenfalls, wenn ich mich daran mache, eine Geschichte tatsächlich auszuarbeiten, passiert es sehr schnell, dass sie in die Länge gerät. Als Leser könnte man also den Eindruck bekommen "Er hat so weit vorausgedacht!?", aber von meinem Blickpunkt aus betrachtet, ist es dann mehr ein "Ich hätte nicht gedacht, dass es so lang dauern würde!". (lacht bitter)
Aus diesem Grund hatte ich ganz zu Beginn auch damit gerechnet, die Geschichte sehr viel früher zum Abschluss zu bringen, aber ohne dass ich es merkte, wurde sie zu dem was sie nun ist. So hatte ich geplant, dass es etwa 1,5 Jahre dauern würde bis Ruffy alle Nakama für seine Bande zusammen hätte, sie dann auf großes Abenteuer gehen würden und ich das Ganze nach etwa 5 Jahren abschließen könnte.
|
Wo wir gerade beim Thema sind, was denken Sie, wie lange es vom jetzigen Zeitpunkt aus noch bis zum Ende dauern wird?
|
Oda
| Puh, Sie fragen Sachen, ich kann es nicht sagen und ich hatte gehofft, dass Sie diese Frage nicht stellen würden. Hmmm, ich würde gerne glauben, dass wir bei der Hälfte angekommen sind. …Nein, lassen Sie uns einfach aufhören weiter darüber nachzudenken! (lacht)
|
Teil III – One Piece ist mein erster und letzter Langzeit-Manga (vom 25.12.2007)
Nicht nur der One Piece-Manga, auch die Anime-Serie erfreut sich größter Beliebtheit. Der Anime startete etwa 2 Jahre nach der ersten Veröffentlichung der Manga-Serie, aber wie haben Sie es persönlich aufgenommen, als Sie von der Animeumsetzung hörten?
|
Oda
| Ich war natürlich sehr glücklich, als ich hörte, dass eine Animeumsetzung folgen sollte.
Nur war ich zugleich auch besorgt und neugierig, was für Leute sich um die Produktion kümmern würden, deswegen habe ich mir gewünscht, den Regisseur und Produzenten möglichst bald treffen zu können. Danach habe ich mich gewundert, wer wohl Ruffy und co. ihre Stimmen leihen würde.
Die Wahrheit ist, was die Synchronsprecher angeht, habe zu meiner Zeit als Assistent als ich Romance Dawn gezeichnet habe, eine Menge darüber nachgedacht und ich fand, dass Mayumi Tanaka-san (u.a. die Rolle des Kuririn in Dragon Ball Z) sehr gut für die Stimme Ruffys passen würde. Darum war ich, als ich schließlich hörte, dass Tanaka-san die Rolle wirklich übernehmen würde, total aufgeregt.
|
Hatten Sie gesagt, dass Sie sie sich als Besetzung wünschen würden?
|
Oda
| Ich habe diesbezüglich absolut kein Wort verlauten lassen und trotzdem wurde es Tanaka-san. Ich habe alle Angelegenheiten bezüglich der Anime-Umsetzung den Profis überlassen, weil ich dachte, ehe ich Laie mich einmische und reinrede, ist es besser, den Mund zu halten. Aber am Ende kam Tanaka-san ja doch zum Vorsprechen. Und wie ich sie dann letzten Endes die Zeilen sprechen hörte, dachte ich "Das ist sie! Das ist die Stimme!".
Es gab so viele Dinge an der Anime-Umsetzung, die mich glücklich gemacht haben, aber am glücklichsten machte mich die Tatsache, dass der Hauptcharakter von meiner Wunsch-Synchronsprecherin gespielt wird.
|
Was für eine unglaublich dramatische Geschichte! Nun, als nächstes, könnten Sie uns bitte ein wenig über die Leserecke FPS, die sich in den Einzelbänden findet und an unzähligen verblüffenden, wie auch abscheulichen Gesprächsthemen gerade zu so strotzt, erzählen? Mit welcher Intention haben Sie diese seiner Zeit gestartet?
|
Oda
| In meinen Kindertagen gab es diesen einen Manga, ich werde den Namen des Werkes jedoch nicht nennen, in dem es solch eine Leserecke gab, doch ist diese irgendwann mittendrin einfach abgebrochen worden. Ich habe sie total geliebt und war daher wirklich enttäuscht!6
|
Wenn man ein gewisses Maß an Popularität erreicht, gibt es eine Menge unterschiedlicher Dinge, um die man sich kümmern muss und es scheint eine Vielzahl von Fällen zu geben, in denen die Leserecke nicht weitergeführt werden kann.
|
Oda
| Ich konnte das nicht akzeptieren. Aus diesem Grund habe mich entschlossen, sollte ich Mangaka werden, würde ich meine Leserecke um jeden Preis fortführen! Das ist nicht nur auf Manga bezogen, aber es geht auf den "Ich werde nichts tun, was mich (als Leser) geärgert hat oder für mich inakzeptabel war"-Grundgedanken zurück.
|
Aber ist es nicht unglaublich schwer sich darum zu kümmern, während man auch eine Serie zeichnen muss, die wöchentlich erscheint?
|
Oda
| Die Postkarten alle in einem Zug zu lesen ist schwierig, darum lese ich jede Woche immer ein paar und sortiere eifrig die Beiträge aus, bei denen ich denke, dass ich sie in der FPS verwenden kann! Wenn nun also die Zeit kommt, in der ein neuer Einzelband erscheint, wähle ich aus eben jenen Beiträgen welche aus, die ich nehme. Nun, ich denke, dass dies trotzdem noch einen ganzen Tag in Anspruch nimmt. Darüber hinaus muss ich dann auch noch ein Motiv für den Einband zeichnen, darum müsste ich wohl lügen, wenn ich behaupten würde, es wäre nicht schwierig.
Aber ich habe mich bereits entschieden, dass das etwas ist, was ich nicht abbrechen würde und darum werde ich nicht damit aufhören, auch wenn ich keine Lust mehr haben sollte. (lacht) Außerdem, klar, es ist anstrengend, aber ich habe auch eine Menge Spaß. Einige Kinder schreiben mir Sachen, auf die ich nicht mal entfernt kommen würde.
Alle schreiben diesen unsagbar dämlichen Mist und Leute haben mich sogar schon zweifelnd gefragt "Das hast du dir nicht alles selbst zusammengereimt?", aber die FPS ist zu 100% aus Postkarten der Leser gemacht. Kurzum: ich lese, ich wähle aus und ich antworte.
|
Wenn dem so ist, heißt das wohl für all die FPS-Fans, dass ihr weiterhin einen nach dem anderen Beitrag einsenden sollt! Nun denn, dies ist die letzte Frage. Es scheint so, als würde es bis zum endgültigen Abschluss von One Piece noch eine ganze Weile dauern, haben Sie als Mangaka vielleicht trotzdem eine Art Motiv oder dergleichen, das sie danach gerne zeichnen würden?
|
Oda
| Auf jeden Fall, es gibt eine Menge Dinge, die ich gerne mal machen würde. Das ist nicht nur auf Manga beschränkt, ich würde auch gerne etwas wie einen Film machen. Allerdings glaube ich, dass ich mit großer Wahrscheinlichkeit, anders als davor, statt fantastischer Endloswerke lieber kleinere, doch dafür abgedrehtere Geschichten zeichnen wollen würde.
Ich denke, dass ich, wenn ich One Piece beendet haben werde, kein zweites Mal eine Serie veröffentlichen werde, die über einen längeren Zeitraum läuft. Nachdem die Serie abgeschlossen ist, würde ich gerne wie Akira Toriyama-sensei (u.a. Dr. Slump, Dragon Ball) halten und immer mal wieder eine neue Geschichte veröffentlichen, die dann lediglich einen Einzelband umfasst. Diesem Gedanken sehne ich entgegen. (lacht)
Und genau aus diesem Grund möchte ich auch all meine Energie in One Piece packen. Wenn ich im Kopf behalte, dass dies mein erster und zugleich auch mein letzter Langzeit-Manga ist, wird auch meine Motivation nicht abflauen.
|
Sie werden also weiterhin bis an Ihre Grenzen gehen?
|
Oda
| Soweit es geht, ohne mich dabei selbst umzubringen, versteht sich. (lacht)
|
Glossar
- Names1 - Ein "Name" (jap. ネーム, aus dem Englischen kommend) ist eine äußerst grobe Kapitelskizze, die einem Mangaka bei der Planung des späteren Kapitels hilft. Ein Name legt beispielsweise bereits Seitenlayout, Panelaufteilung und Dialoge fest.
- Otaku2 - Ein "Otaku" (jap. オタク oder auch ヲタク) ist ein waschechter Vollblut-Fan einer bestimmten Sache, jedoch wird der Begriff am häufigsten in Bezug auf Manga-/Anime-Hardcorefans verwendet. Die trefflichsten Übersetzungen wären zweifelsohne die Bezeichnungen Nerd oder auch Geek. Während der Begriff in seiner Entstehungszeit und viele Jahre danach sehr negativ konnotiert war - so war er gleichbedeutend mit "düsteren Stubenhockern ohne jegliche soziale Kompetenz" und bald darauf sogar "potentieller Serienkiller" - hat sich dies über die Jahre allmählich verändert und wird inzwischen von Szenepersonen sogar als Kompliment verwendet. (weitere Informationen zu diesem Thema)
- Neujahrsgrußkarten3 - Neujahrsgrußkarten, die so genannten Nengajou (jap. 年賀状, wortwörtlich "Jahres-Glückwunsch-Schreiben) sind Postkarten, die man Familie, Freunden und Bekannten, sowie seinen Arbeitskollegen anlässlich des Neujahrsanfangs schickt. Diese Tradition hat in Japan einen sehr hohen Stellenwert und auch wenn die Karten meist nur aus ein paar Floskeln bestehen, so freuen sich die Empfänger sehr über diese Schreiben. Im Vorfeld können spezielle Nengajou erworben werden, bei denen es sich um Postkarten handelt, die häufig über kein Motiv auf der Vorderseite verfügen (hier wird beispielsweise ein Foto aufgeklebt oder ein Bild gemalt - meistens vom Nachwuchs der Familie) und ein kleiner Lotterie-Code, mit dem man an einer Verlosung teilnimmt, bei der es eine Menge trivialer Kleinigkeiten zu gewinnen gibt - mit Glück aber auch den ein oder anderen Elektronikartikel. Es kann vorkommen, dass Familien bis an die 200 solcher Postkarten verschicken!
- Ich spielte meinen letzten Trumpf aus!4 - Wortwörtlich sagt Oda hier "Es war für mich so, als ob ich mit dem Rücken zur Wand stünde und mich mit dem Schwert des Familienschatzes wappnen würde.". Er setzte also wirklich alles auf eine Karte!
- "Gummifrucht"5 - Hier handelt es sich um eine Diskrepanz, die sich beim Übersetzen nicht vermeiden ließ. Im Japanischen Original ist Ruffys Teufelsfrucht bekanntlich die Gomu Gomu no Mi (jap. ゴムゴムの実). Das Wort gomu ist im Japanischen die Bezeichnung für "Gummi", also ist Ruffys Teufelsfrucht eigentlich die Gummi-Gummi-Frucht. Da die Teufelsfrucht in der deutschen Version jedoch die Gum-Gum-Frucht ist und diese Information auch nicht verloren gehen sollte, wurde dieser Mittelweg gewählt.
- In meinen Kindertagen gab es diesen einen Manga, ich werde den Namen des Werkes jedoch nicht nennen6 - Es besteht absolut kein Zweifel, dass sich Oda an dieser Stelle auf Akira Toriyamas Dragon Ball bezieht, in dessen Manga solch eine Entwicklung zu beobachten war.
|
|